In der Zeitung stehts geschrieben........


Die Jahrtausendwende stellte Ursula Thierwächters Leben auf den Kopf. Die Nidauerin besuchte im Herbst 2000 zum ersten Mal ihren Chatfreund Urs in Kanada. Aus der ursprünglichen Internetbekanntschaft zum Kanada - Schweizer entwickelte sich eine Liebesbeziehung. Ein halbes Jahr später – am 4. April 2001 – sass Ursula bereits zum zweiten Mal im Flugzeug Richtung Kanada. Dieses Mal mit all ihrem Hab und Gut. Sie hatte Wohnung und Job gekündigt, sich von Freunden und Familie verabschiedet und Brach in eine ungewisse Zukunft auf. Über die darauf folgenden Erlebnisse hat sie jetzt ein Buch geschrieben. «Ich war damals sehr sorglos», erzählt Ursula Thierwächter am Telefon, «einige bezeichneten meine Entscheidung sogar als leichtfertig.» Sie habe jedoch keine Angst gehabt. Einzig der Abschied von ihren Nächsten sei schwer gewesen. Trennen musste sie sich auch von ihrer erwachsenen Tochter. «Sie hat mir gesagt, dass ich das tun soll», sagt Ursula. Die 65-Jährige und Urs, mit dem sie mittlerweile verheiratet ist, leben heute im Westen Kanadas in British-Columbia, nahe der Grenze zu den USA (Idaho). Von der nächsten Kleinstadt Creston leben sie 25 Kilometer entfernt - das sei für kanadische Verhältnisse durchaus zumutbar. Die Abgeschiedenheit macht Ursula Thierwächter nichts aus, ganz im Gegenteil: «Ich mag es, allein zu sein. Für mich stimmt es hier.»

Bei null angefangen.....
In Nidau wohnte Ursula in einem Hochhaus. Jetzt besitzen sie und ihr Mann ein Grundstück von über 60 Hektaren – die Fläche von mehr als 80 Fussballfeldern –, ein Haus, mehrere Hunde und Katzen. Kurz: Die Auswandererin lebt ihren Traum von mehr Platz und Freiheit. Dabei war das Einleben im fremden Land nicht immer einfach, erinnert sich Ursula Thierwächter. Sie habe nicht gut Englisch gesprochen und es sei schwer gewesen, neue Menschen kennenzulernen. «In der Schweiz war ich verwurzelt und hatte vertraute Menschen um mich. Und hier gab es plötzlich niemanden mehr.» Doch mittlerweile ist sie zur echten Kanadierin geworden; nach sieben Jahren erhielt sie die Staatsbürgerschaft. Neue Kontakte knüpft sie durch ihr freiwilliges Engagement: Als Volontärin im Altersheim  oder als Fahrerin für Arztbesuche. Daneben kümmert sie sich um ihre geliebten Hunde, pflegt den Garten, lernte das Spinnen und malt. Die Auslandschweizerin geniesst es, die Tage nach ihrem Geschmack gestalten zu können. Doch das war nicht immer so. «Zu Beginn war es schwierig, keine Struktur mehr zu haben.» Doch sie habe es zu schätzen gelernt, nicht mehr von einem fixen Zeitplan bestimmt zu sein. Ursula Thierwächter ist mittlerweile pensioniert. Schon zuvor musste das Ehepaar mit wenig Geld auskommen, erschwerend kamen die hohen Lebenskosten in Kanada hinzu. «Wir brauchen aber nicht viel Geld zum Leben», sagt sie. «Hier auf dem Land macht man sich keine Gedanken um das Aussehen, es ist egal, welche Kleider man trägt.» Am wenigen Geld stört sie sich also nicht. Trotzdem gibt es ein paar Dinge, die sie aus ihrem alten Leben in der Schweiz vermisst: «Pastetli», kommt es wie aus der Pistole geschossen, «und Vermicelles, gutes  Fondue und Raclette.» Es sei sehr schwierig, in Kanada «einen richtig rassigen Käse» zu bekommen. Und wenn, dann sei er  völlig überteuert.

 Leben in Buch festgehalten.....
Im August dieses Jahres ist nun ein Buch über die Auswanderergeschichte
erschienen. In «KANADA IST BÄRENSTARK» erzählt Ursula Thierwächter von ihren ersten Jahren in der Wildnis, der neu gewonnenen Lebensqualität und ihren tierischen Nachbarn, die es sogar in den Buchtitel und auf das Cover schafften. «Auf unserem grossen Grundstück sehen wir immer wieder Bären.» Es habe Braun- und Schwarzbären, die seien jedoch eher scheu. «Ich habe immer einen Bärenspray dabei, um mich im Notfall verteidigen zu können.» Dazu sei es zum Glück noch nie gekommen. «Auch dank meiner Hunde, die immer mit mir unterwegs sind.» Bei Ursula Thierwächter scheint es sich um eine geglückte Auswanderergeschichte zu handeln. So sagt sie zum Schluss des Telefongespräches: «Häufig fragen mich meine alten Freunde aus der Schweiz: ‹Was machst du denn eigentlich die ganze Zeit?› ‹Ich lebe›, sage ich dann.» 

2 Kommentare:

Yvonne hat gesagt…

Liebe Ursula,

ich verfolge Deinen Blog schon laenger und der Zeitungsartikel ruehrt mich sehr. Besonders der Abschlusssatz mit der Aussage "ich lebe" finde ich supertoll. Denn genau dies trifft auch auf uns zu, seitdem wir hier wohnen. Ich bin seit dem Umzug auch Hausfrau und endlich haben wir Zeit fuer die Familie. Unser Sohn findet es toll, und wir koennen auch oft spontan verreisen, dabei auch mit auf Dienstreise meines Mannes fahren etc. Aber dieses "ich lebe" trifft sowas von ins Schwarze, wenn auch ich ein Fazit ziehen muesste in einem Satz :-). Viele in Deutschland koennen das so oft gar nicht nachvollziehen, weil es eben normal ist, dass beide Elternteile arbeiten etc. Wir sind sehr gluecklich, dass wir einen Weg gefunden haben, der fuer uns passt. Denn das ist das wichtigste: man selbst muss gluecklich sein.

Liebe Gruesse aus dem Grossraum Vancouver!
Yvonne

HeideB hat gesagt…

Hallo Ursula,
du hast das Richtige getan, ich beneide dich.
Dein Buch steht lange in meinem Regal - natürlich lange schon gelesen.
LG
Heide